Er trug einen Poncho. Nur einen Poncho! Keine Frage: Im letzten Jahr war der Pferdeschamane eindeutig der unterhaltsamste Programmpunkt am Tag der offenen Hoftür auf dem Schulte-Osthoff´schen Reitbetrieb. Obwohl sich kaum mehr jemand an die hippologisch relevanten Bräuche des indianischen Fachmannes erinnert, ist er doch unvergessen – und mit ihm der Ort seines Gastspieles.
Oft wurde die Bitte an unseren weltoffenen Stallchef herangetragen, auch in diesem Jahr zum Tag der offenen Hoftür ein pferdig-festliches Programm zu organisieren.
Also werden keine Kosten und Mühen gescheut, den Betrieb und seine innovativen Trainer-Kooperationen in aller Munde und in die Presse zu bringen. War es noch vor wenigen Jahren so, dass ein Reitlehrer spätestens mit dem Titel „Trainer B“ die Lizenz zum Anschreien in der Tasche hatte, so ist die Kundschaft heute nicht mehr adäquat leidensfähig für diese typisch deutsche Lehrmethode. Flüstern, tanzen und Ikebana für Pferde und mit ihnen – das ist der Zeitgeist.
So ein Hoffest ist der ideale Rahmen, um aktuelle Lehrmethoden und Stilrichtungen auf Standortkompatibilität für den eigenen Betrieb zu prüfen.
Die elegante Vollblüterin Comtessa würde ihren Futtergeber gerne mal mit Pferden tanzen sehen. Nepomuk – selbst mit einer sehr barocken Silhouette ausgestattet – schätzt den diesbezüglichen Trend zu allem altklassischen, solange ihm niemand die Levade abverlangt.
Bei der Planung für das diesjährige Hoffest kann das Festkomitee aus dem Vollen schöpfen. Zahlreiche Schaubilder und Trainingsvorführungen sind auf dem Markt mietbar. Um das interessierte Publikum auf den Pferdebetrieb zu locken, fiel die Wahl auf einen angesagten attraktiven Barockreiter: Wenig Haupthaar, große Muskeln, tritt im schwarzen Netzhemd auf seinem Schimmel an… (der letztjährige Erfolg mit dem Schamanen beeinflusste hier offenbar die Wahl).
Doch die Geschmäcker sind verschieden, das gilt es für den Festausschuss zu berücksichtigen. Darum ist das zweite Highlight im fachlichen Unterhaltungsprogramm der angesagte langhaarige Pferdeflüsterer… wie heißt er doch gleich in diesem Jahr? Egal, das Buch ist in der Bestseller-Liste. Für das ungeübte Auge wirkt der Typ auf den ersten Blick wie einer aus der Kategorie „Junger Mann zum Mitreisen gesucht“.
Aufträge zum Kuchen backen erteilt, Haarbänder für die Voltigierkinder in der neuesten Trendfarbe bestellt, Kontakte zur lokalen Presse und zu den Fachblättern spirituell (Doppelkorn) und inhaltlich (Hinweis auf Sponsoren und engagierte dörfliche Prominenz) gepflegt: Das Fest kann kommen.
Nepomuk ahnt in Anbetracht der Zeremonienplanung, dass viele interessierte Pferdefreunde und noch mehr –freundinnen kreischend um Autogramme der berüchtigten Entertainer flehen werden. Der vorausschauende Wallach prophezeit seiner sensiblen Freundin Comtessa: „Wenn der Pferdeflüsterer kommt, wird es laut auf dem Hof!“