Schon bald, nachdem sich die letzten Gülleschwaden verzogen haben und Blütenduft und sattes Weidegrün die Stimmung beflügelt, belebt sich der Pferdemarkt. Winterpelz ade, Traumpferde mit Weltklasseprognosen in den Anzeigenblättern. Auch Herr Schulte-Osthoff hat ein interessiertes Auge auf das Marktgeschehen. In diesem Jahr stehen zwei Nachwuchspferde aus seiner Liebhaberzucht in der einschlägigen Fachpresse.

Im Landwirtschaftlichen Wochenblatt seiner Region und in der Hochglanz-Postille für Pferdesport werden jede Menge „Rohdiamanten“ mit Grand-Prix-Prophezeiungen angeboten. 95 Prozent der angedienten Tiere werden als förderungswürdig mit Potenzial zum Häuser springen beworben. Die wirklich dämliche Floskel vom Häuser-springen interpretiert der auch ökonomisch versierte unsportliche Nepomuk eher als Geldbeutel-sprengen. Manchmal nennt man sie auch „unverbraucht“, dann sind die Kameraden schon etwas älter, können aber nix.

Interessant ist der Anzeigenteil, in welchem Pferde gesucht werden: braves Familienpferd, straßensicher, fromm, Anfängerpferd, gesund und ordentlich erzogen… Schade, dass der Nachfrage nach braven Universalpferden nur hoffnungslos überqualifizierte Angebote entgegenstehen.

Als dann die ersten Kaufinteressenten die wertvollen, vielversprechenden 4-jährigen Warmblüter auf dem Schulte-Osthoff´schen Hof besichtigen, haben die mitgereisten Kinder und Gattin des vermeintlich künftigen Olympiareiters nur Augen für Nepomuk. Geduldig hat sich dieser Zöpfe in den Fesselbehang flechten lassen, während zwei Hofkatzen auf seinem breiten Rücken schlafen. Interessiert und vorsichtig berührt er den blonden Schopf eines Kundenkindes (und das Herz der Kundenfrau).

Als Nepomuk der Dame dann noch einen vollendeten Handkuss (mit Zunge) gibt, will sie nur noch IHN… oder wenigstens SO EINEN. Koste er, was er wolle.

Die Chance, dass der ursprünglich geplante Pferdehandel schiefgeht, liegt ab jetzt zwischen 99 und 100 %. Und so war es auch hier.

Nach dem sonntäglichen Kirchgang plaudert die benachbarte Landfrau mit ihrem Berufskollegen Schulte-Osthoff. Sie bedauert, dass sie bereits 63 Kaufinteressenten enttäuschen musste. Die 15-jährige Lorelei (Scheckstute ohne zitierbare Qualifikation, aber ökologisch einwandfreier Rasenmäher mit Familienanschluss), eine wirklich brave Ponystute, war nämlich wenige Stunden nach Erscheinen des Inserates bereits verkauft. Nun reift in unserem pfiffigen Betriebsleiter folgender Plan:

Auf seinem Reitbetrieb werden sehr erfolgreich De-Qualifizierungsprogramme für Pferde durchgeführt, um diese dem realen Marktbedarf entsprechend zu schulen.

Stufe 1 des De-Qualifizierungsprogramms bedeutet unbegrenzten Weidegang. Übergewicht ist eine gern gesehene Grundeigenschaft!

Stufe 2 beinhaltet das Desensibilisierung-Verfahren: willkürliches Traversieren, nur weil der Reiter schief sitzt, ist schließlich unerwünscht.

Die weiteren Ausbildungsstufen bleiben Betriebsgeheimnisgeheimnis. Inzwischen ist die Dienstleistung Rohdiamanten in tragbaren Modeschmuck zu verwandeln fester Einkommensbestandteil des Pensions- und Ausbildungsstalles. Das größte Erfolgsmodell, Nepomuk, bleibt unbezahlbar und selbstverständlich unverkäuflich!

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