Herr Schulte-Osthoff war auf einem „Workshop Qualitätsmanagement“. Üblicherweise glänzt Comtessa bislang durch körperliche Qualität und sportliche Leistung, sodass die anderen Pferde anerkennend staunen, als die hübsche Vollblutstute diese englischen Vokabeln souverän mit „Schulung“ und „Qualitätsverbesserung“ übersetzt.

Doch erst die Umsetzung der während dieser Fortbildung gewonnenen Inspiration füllt das nun mit pferdeverständlichen Fakten. In dieser Saison gibt es z.B. ein Weidebuch und allwöchentlich entsteht eine Prioritätenliste mit wichtigen Arbeiten rund um den Hof und die Pferde. Alles Mögliche wird vor- und nachbesprochen und dokumentiert.

Da Pferde nicht lesen können, nicht einmal der kluge Nepomuk, mag das Weidebuch doch sehr verwundern. Doch schnell wird klar, dass nun kein Alphabetisierungskurs zu befürchten ist, sondern dass im Weidebuch vom Betriebsleiter dokumentiert wird, welche Pferde wie lange draußen spielen und grasen dürfen.

Die Kombinationen für die kommende Weidesaison wurden vom Pferdefachmann gewissenhaft durchdacht.

Gelbgrün, hellgrün, graugrün, blass grün, sogar braungrün: im Zweifel alles verdaulich, sofern durch halbe oder gänzliche Trocknung oder Gärung lagerfähig gemacht. Aber die Lieblingsfarbe aller Rosse ist grasgrün! Ungetrocknet und unter freiem Himmel – so schmeckt es am besten! Hurra, Weidesaison!

Doch nun zum Nepomuk´schen Drama: er soll sportlicher werden und dazu den Posten des Erziehungsbeauftragten bei den Jungpferden antreten. Damit will der schlaue Bauer zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Nepomuk bewegt sich mehr als er es bei selbstbestimmtem Bewegungsprogramm täte (manche genießen eben eher die Endposition im Stau als die Pole-Position bei der Rally). Zudem soll seine ruhige und souveräne Art dem Pferdenachwuchs Vorbild sein.

Das heißt schlichten statt schlemmen und scheuchen statt schlummern…

Es gibt vier gängige Varianten die Seite eines (in diesem Fall gemäß Prioritätenliste kontrollierten und reparierten) Zaunes zu wechseln:

  • Darüber
  • Drunter her
  • Direkt hindurch
  • Durch das zu diesem Zweck zu öffnende Tor

Wenn möglich, sollte man Variante 4 als der seriösesten und materialschonenden die Präferenz geben.

Aber es kommt wie es kommen muss. Die jungen Rüpel strotzen vor Geltungsdrang und hopsen an und um Nepomuk herum. Dieser Weidegang ist keine Schlemmerreise, sondern ein stressiges Arbeitsessen. Unser Protagonist entschließt sich zum Handeln. Die zukünftigen Helden internationaler Parcours würden sich der frisch geplanten Strafmaßnahme womöglich ihrem Zuchtziel entsprechend durch einen eleganten Sprung über den Zaun entziehen. Dann würde der Vollstrecker in Persona Nepomuk im Sinne des Wortes dumm dastehen. Also muss, um ein Exempel zu statuieren, der pummelige Fjordjährling dran glauben. Nepomuk konzentriert sich: die Figur eines Buddhas, der Geist von Mahatma Gandhi, doch in angestauter Wut den Sportsgeist eines Profifußballers. Das Runde muss in das Eckige! …und schon zerlegt der in den spitzen Winkel getriebene Norweger die Brettergrenze in ein filigranes Mikado.

Während Herr Schulte-Osthoff und sein Gehilfe sehr spontan – sozusagen „prozessorientiert“ – die Prioritätenliste anpassen und Pferde einfangen, reimt der selig fressende Nepomuk:

Der Zaun ist Landwirts ganzer Stolz,
nun liegt am Boden all das Holz

Im Stall gibt es an diesem Abend nur ein Thema: „Mit Kindern wird es doch nie langweilig!“, freut sich Comtessa über den ersten Weidetag dieses Jahres.

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